Die 3 wichtigsten Zutaten für guten wissenschaftlichen Schreibstil in der Dissertation
Ich muss hier gleich mit einem Geständnis beginnen: lange habe ich mich gegen einen Blogartikel zum Thema wissenschaftlicher Schreibstil gesträubt.
Ist doch unnötig, habe ich mir gedacht – dazu gibt es doch wirklich schon mehr als genug!
Aber bei einer genaueren Recherche ist mir aufgefallen: es gibt zwar viel zu diesem Thema, aber meist nur die immer gleichen Ratschläge, die auch du sicher schon seit deinem ersten Tag an der Uni hörst.
- Argumentiere nachvollziehbar und achte auf Lücken, Brüche oder logische Sprünge in deinen Ausführungen.
- Nutze eine klare, sachliche Sprache.
- Vermeide Schachtelsätze und Worthülsen und wähle stattdessen prägnante Formulierungen.
Joa … das alles ist in der Theorie ja irgendwie logisch.
Das Problem dabei ist: viele dieser Ratschläge werden recht vage und schwammig, sobald man versucht, sie tatsächlich auf das eigene Schreiben zu übertragen.
Woran lässt sich denn nun festmachen, ob meine Aussagen und Argumentationen auch schon für andere verständlich und nachvollziehbar sind? Wie lassen sich logische Brüche oder Lücken im eigenen Text erkennen – mir ist doch klar, was ich hier meine?! Und wann genau ist ein Satz nun eindeutig „zu lange“?
Kein Wunder also, dass viele dieser gut gemeinten Ratschläge nicht wirklich greifen und die Frage „Wie kann ich den Schreibstil für meine wissenschaftlichen Texte verbessern?“ auch noch bei Promovierenden immer wieder aufkommt.
In diesem Artikel zeige ich dir:
- warum die Arbeit an deinem wissenschaftlichen Schreibstil immer mehr ist als nur finaler Textfeinschliff,
- an wie vielen Punkten im Schreibprozess du tatsächlich an deinem wissenschaftlichen Schreibstil feilst,
- wie du stilistische Mängel in deinem Text ein für alle Mal entlarvst.
1. Was deine LeserInnen mit deinem wissenschaftlichen Schreibstil zu tun haben
Genau genommen müssen wir uns hier zuallererst fragen: Woran lässt sich guter wissenschaftlicher Schreibstil eigentlich erkennen und messen?
In erster Linie daran, wie verständlich, überzeugend und ansprechend ein Text für seine LeserInnen ist.
Und ob das gelingt, hängt vor allem davon ab, was sich potenzielle LeserInnen überhaupt von diesem Text erwarten. Welchen Textaufbau und Stil sie gewöhnt sind. Mit welchen anderen Texten ein Text wahrscheinlich verglichen wird – und ob er diesem Vergleich standhält.
Du siehst hier schon: die individuelle LeserInnenschaft wirkt sich direkt auf einen Text, seine wahrgenommene Qualität und damit auch auf das Schreiben aus.
Mein erster Tipp für guten, wissenschaftlichen Schreibstil ist deshalb, das Zusammenspiel eines Textes mit seinem gedachten Publikum zu berücksichtigen und bewusst zu nutzen.
Mit anderen Worten bedeutet das: du kannst – und solltest – deine LeserInnen an bestimmten Punkten aktiv in deinen Schreibprozess einbeziehen.
Wann das ist?
- Einmal ganz zu Beginn, am besten noch bevor du zu schreiben anfängst.
- Danach wieder beim Überarbeiten und Feinschleifen deines Textes. (Dazu erfährst du etwas später in Punkt 3 mehr.)
Zu Beginn des Schreibens solltest du dich also bewusst fragen: für wen schreibe ich hier eigentlich?
Wer sind die gedachten oder anvisierten LeserInnen dieses Textes? Aus welcher Disziplin stammen sie (eine Frage, die vor allem in interdisziplinären Forschungsarbeiten ganz entscheidend ist)? Welches Vorwissen kann ich bei ihnen zum Thema meines Textes voraussetzen? Was erwarten oder erhoffen sich LeserInnen wohl von meinem Text?
Die Antworten auf diese Fragen werden dir helfen, die inhaltliche und strukturelle Richtung deines Textes klarer festlegen zu können. Dein Text geht nicht mehr in den luftleeren Raum, sondern adressiert nun ein bestimmtes Publikum.
Viele Fragen von „Muss dieser Inhalt hier noch rein?“, „Kann ich dieses Wissen wirklich voraussetzen?“, „Ist diese Ausführung schon verständlich genug?“, werden sich so ganz von selbst beantworten.
Allein diese bewusste Zielausrichtung trägt also bereits dazu bei, dass dein Text klarer, prägnanter und innerhalb deiner Disziplin relevanter wird – und all das sind essentielle Zutaten eines guten wissenschaftlichen Schreibstils!
2. Schreiben vs. Überarbeiten, oder: wann kommt die Arbeit am Schreibstil eigentlich dran?
Ist dieser Schritt getan – und das ist wichtig! – willst du deine LeserInnen aber eine Zeitlang wieder etwas in den Hintergrund rücken.
Eine der größten Blockaden am Weg zu gutem wissenschaftlichen Schreibstil ist nämlich eine gefühlte Heeresschar an kritischen Augen, die schon während des Schreibens über deine Schulter schielt.
Vielleicht kennst nämlich auch du den Stress, der dadurch ausgelöst wird.
Noch während ein einzelner Absatz geschrieben wird, wird gleich wild daran rumgefeilt, um etwaige Mängel SOFORT auszubügeln. Könnte man hier nicht noch bessere Formulierungen finden? Was muss noch unbedingt ergänzt werden? Was klingt blöd und sollte besser gestrichen werden?
Das Problem dabei: während des Schreibens kannst du dir in Wahrheit auf viele dieser Fragen noch gar keine verlässliche Antwort geben.
Welche inhaltlichen Details dein Text noch näher ausführen wird müssen, welche Angaben und Verweise deine Aussagen am besten untermauern, welche Formulierungen am besten passen… – alles das kannst du jetzt noch nicht verbindlich festlegen.
Erst wenn du eine ausreichend große Textmenge geschrieben hast, wird sich der Nebel um viele dieser Fragen zu lichten beginnen und du wirst klarer sehen, wo dein Text tatsächlich noch Optimierungsbedarf hat und nachgeschärft werden kann.
Für dich bedeutet das als Tipp #2: gestehe dir zu, das Schreiben deines Textes von seiner Überarbeitung zu trennen.
Jetzt, während gerade erst die Wörter aufs Papier fließen, kann und muss dein Text nicht perfekt sein.
Gute wissenschaftliche Texte entstehen nämlich nicht in einem magischen Geniestreich – sondern über sorgsame und mehrmalige Überarbeitungsschleifen.
Die sorgen dafür, dass dein Text schrittweise auf inhaltlicher, struktureller UND sprachlicher Ebene immer besser wird – und schließlich seine ideale Form hat. (Welche Ebenen der wissenschaftlichen Textüberarbeitung es gibt und in welcher Reihenfolge du sie durchlaufen solltest, erfährst du ausführlicher hier!)
Je weniger du schon beim Schreiben versuchst, dem perfekten Schreibstil gerecht zu werden, desto leichter wird es dir fallen, ihn später – bei der strukturierten Textüberarbeitung – in den Fokus zu rücken und richtig umzusetzen.
Du willst deinen ganz individuellen Schreibtyp als WissenschaftlerIn herausfinden und den Schreibprozess deiner Dissertation von nun an mit Leichtigkeit meistern?
3. Meine letzten Geheimtipps, um den Schreibstil deiner wissenschaftlichen Texte zu verbessern
Im zweiten Tipp ging es darum, WANN du am Stil deiner wissenschaftlichen Texte überhaupt feilen solltest. Und warum du dich nicht schon während des Schreibens mit dem Anspruch an einen perfekten Schreibstil unter Druck setzen solltest.
Zuvor müssen einige Schritte im Textproduktionsprozess richtig gesetzt werden, damit du irgendwann überhaupt einen Text vor dir hast, den du optimieren und stilistisch feinschleifen kannst.
Und JETZT kannst du dich fragen, wie du deine Aussagen für deine LeserInnen auch sprachlich noch besser, prägnanter und überzeugender aufbereiten kannst.
Mein bester – und gar nicht so geheimer – Geheimtipp, um dabei auch stilistische Mängel in deinem eigenen Text zu entlarven, ist, ihn dir selbst laut vorzulesen.
Du wirst dabei unweigerlich merken, bei welchen Textpassagen dir das Lesen schwerfällt. Wo dir sprichwörtlich die Puste ausgeht. Wo du Betonungen nicht richtig setzen kannst, weil du dich in deinem eigenen Satz verloren hast. Wo ein Satz übertrieben voll ist von Substantivierungen oder Fremdwörtern.
Und genau darauf willst du achten: denn überall dort, wo du selbst beim Laut-Lesen deines Textes stolperst, würden auch deine LeserInnen stolpern!
Die Übung ist damit ein untrüglicher Indikator, wo du in deinem Text noch nachschärfen, kürzen und präzisieren solltest – und damit den Stil deines Textes optimieren kannst.
Du bist dir nicht sicher, ob du dafür den richtigen Blick hast?
Dann habe ich hier noch zwei letzte Tipps für dich, die deinen wissenschaftlichen Schreibstil in der Dissertation nachhaltig verbessern werden:
- Lies mehr von dem, was dir gut gefällt und woran du dich hinsichtlich deines eigenen Schreibstils orientieren willst. Du wirst sehen, wie dir Satzaufbau, konkrete Formulierungen oder sprachliche Mittel, mit denen du häufig konfrontiert bist, zunehmend ins Blut übergehen und deinen eigenen Schreibstil immer weiter verbessern.
- Hol dir Feedback von wohlgesonnenen KollegInnen. Frag sie konkret, was ihnen an deinen Texten stilistisch gut gefällt und wo sie noch Optimierungsbedarf sehen. Du erinnerst dich: die LeserInnen deiner Texte haben entscheidenden Einfluss darauf, wie ein Text auch hinsichtlich seiner Stilistik aufbereitet sein muss. Warum sie nicht einfach fragen?