Deine Dissertation als Story: Wie du komplexe Forschung systematisch erarbeitest und zusammenhängend aufschreibst
„Ich habe schon begonnen, wichtige Überlegungen zu meinem Diss-Projekt in einem Dokument zu sammeln – aber ich habe keine Ahnung, wie ich diese Einzelgedanken jetzt in einem logischen Gesamttext zusammenbringe. Wo und wie fange ich da an?“
Merje sieht richtig verzagt aus, als sie mir in unserem Erstgespräch den Stand ihrer Dissertation beschreibt. Sie hat schon viel zu ihrem Forschungsthema gelesen und sich dazu Gedanken gemacht.
Nur der Sprung ins konstruktive Schreiben gelingt ihr einfach nicht.
Mehr als einzelne Texthäppchen, Gedanken und Zitate hat sie bisher nicht zu Papier gebracht. Und mit jedem Tag scheint der Berg an Arbeit, der bis zur Fertigstellung ihrer Arbeit noch vor ihr liegt, größer zu werden – und der Plan, wie sie diesen Berg sinnvoll abarbeiten kann, kleiner.
Für Merjes Problem gibt es tatsächlich eine einfache Erklärung: sie hat bisher zu wenig darauf geachtet, wie und in welcher Form bestimmte Inhalte in ihrem Gesamttext am Ende miteinander in Verbindung stehen sollen.
Anstatt mit ihrer Dissertation also eine logisch aufgebaute Geschichte zu erzählen, hat sie nur einen Haufen an Textbausteinen zusammengetragen, deren Sinn und Zusammenhang sie selbst schon kaum mehr versteht. (Und wie sollen dann erst ihre LeserInnen verstehen, was sie hier vermitteln will?!)
Um diesen ganz typischen Fehler in der Promotion zu lösen, will ich dir in diesem Blogartikel aufzeigen, in welchen Ebenen und Schritten der Text einer Dissertation am besten erarbeitet wird.
Erst wenn du nämlich verstehst, wie die einzelnen Ebenen deines Textes ineinandergreifen, kannst du deinen Arbeits- und Schreibprozess systematisch steuern und verlierst dich nie wieder im ziellosen Schreiben.
In diesem Blogartikel zeige ich dir:
- in welchen Ebenen und Schritten der Text einer Dissertation am besten erarbeitet wird, damit er nicht aus einem Haufen unzusammenhängender Textbausteine besteht, sondern so logisch aufgebaut ist wie eine gut erzählte Geschichte.
1. Inhaltliche Erarbeitung: „Das Große Ganze“ deiner Forschung
Ein komplexes Forschungsprojekt sollte immer aus der obersten Ebene aufgezogen werden: dem „Großen Ganzen“.
Hier, auf inhaltlicher Ebene, beginnst du mit der Erarbeitung des Textes, indem du die Zielrichtung und die geplante Umsetzung deines Forschungsvorhabens klärst und festlegst.
Dabei sind drei wesentliche Aspekte zu berücksichtigen:
1. Dein Was? Worum geht es in deinem Projekt genau? Welches inhaltliche Ziel verfolgst du mit deinem Projekt? Was genau willst du hier herausfinden oder näher beleuchten? Zu welcher Frage willst du am Ende mit deiner Forschung eine Antwort liefern können? Inwiefern wird deine Arbeit den Fachbereich um ein kleines Puzzlesteinchen bereichern können?
2. Dein Womit? Deine Forschungsfragen sind so weit geklärt. Aber wo in der Welt liegen denn nun Antworten auf diese Fragen begraben? Welches Untersuchungsmaterial musst du dafür untersuchen? Welche Quellen wirst du dafür analysieren oder welche Daten erheben und auswerten müssen?
3. Dein Wie? Super, auch dein Untersuchungsmaterial ist nun definiert. Aber dieses Material ist erst einmal einfach nur da. Von sich aus sagt es gar nichts – erst die richtige Untersuchung und Bearbeitung wird ihm Antworten entlocken. Für dich bedeutet das: was genau wirst du mit deinem Forschungsgegenstand tun müssen, um daraus aussagekräftige Antworten auf deine Forschungsfragen ableiten zu können? Wie musst du hier in der Analyse, Auswertung oder Deutung ganz konkret vorgehen?
Zusammengefasst heißt das: zuerst einmal willst du dir selbst einen soliden Überblick über dein Forschungsvorhaben verschaffen – über das Was, das Womit und das Wie, das du mit deinem Projekt verfolgst.
Du verlierst dich gefühlt von Tag zu Tag mehr in deinem eigenen Dissertationsprojekt? Keine Panik!
Mit meinem bewährten 3-SCHRITTE-PLAN konzipierst du ein Forschungsvorhaben, das auf das Wesentliche fokussiert UND zielgerichtet umsetzbar ist!
Und das ist wichtig, denn erst, wenn du dir über diese Ebene wirklich klar geworden bist, kannst du systematisch einen Schritt tiefer gehen und dich fragen: wie kann ich diesen Weg, den ich hier als ForscherIn beschreite, nun auch für andere verständlich nachzeichnen und darstellen?
Genau das wird nämlich deine Aufgabe beim späteren Schreiben sein!
2. Strukturelle Erarbeitung: Deine Forschung in Textform
Auf Ebene 2 geht es darum, eine grobe Struktur zu erarbeiten, wie du deine Forschung nun in Textform umsetzen und darstellen wirst können – und damit nicht nur für dich selbst, sondern vor allem auch für andere zugänglich und nachvollziehbar machst.
Hier erfährst du mehr zum Aufbau einer Dissertation und ihren unverzichtbaren Abschnitten.
Du stellst dir jetzt also die Frage: welche Geschichte musst du mit deinem Text erzählen? Was müssen deine LeserInnen hier schrittweise erfahren und verstehen, damit sie deinen Gedanken und Ausführungen richtig folgen und am Ende davon überzeugt sind?
Welche Kapitel werden in deinem Gesamttext dafür notwendig sein? Und welche Inhalte und Gedanken müssen in den einzelnen Kapiteln vermittelt werden?
Dazu an dieser Stelle ein kurzer Einschub:
Vor allem, wenn du mit deinem Projekt noch eher am Anfang stehst, denkst du jetzt vielleicht „Oh Gott, aber wie kann ich das denn jetzt schon festlegen? Muss ich dafür nicht erst noch viel mehr lesen und wissen?“
Keine Sorge, du unterzeichnest keinen Pakt mit dem Teufel darüber, dass diese Struktur unverändert bis zum Schluss stehen bleiben muss.
Solltest du im weiteren Verlauf deines Projekts bemerken, dass ein modifizierter Textaufbau noch besser wäre, kannst du darauf jederzeit reagieren – z. B. indem du aus einem großen Kapitel zwei kleinere machst oder bestimmte Inhalte aus einem Kapitel in ein anderes verschiebst.
Wichtig ist aber: du solltest möglichst früh zumindest über eine provisorische Gliederung 1.0 nachdenken. Eine mögliche Variante für deinen Textaufbau. Eine, von der du sagen kannst „Mit meinem aktuellen Wissensstand und Verständnis des Themas scheint mir diese Struktur stimmig und schlüssig. So könnte mein Text funktionieren.“
Allein dieser Schritt wird dir nämlich helfen, viele weitere Fragen über deinen Text klären zu können:
- Zu welchen Themenbereichen und Inhalten hast du schon ausreichend recherchiert, wo ist dein Wissen aber noch (zu) dünn? Wo solltest du noch gezielter in die Recherche und Lektüre eintauchen?
- Wo könnten sich sinnvolle Grenzen deines Themas nach links und rechts ziehen lassen? Du wirst sehen: eine erste Gliederung für deinen Gesamttext zu erstellen, zwingt dich gewissermaßen dazu, auch zu überlegen, worauf du in deiner Arbeit den Fokus lenken willst. Welche Inhalte wirst du in deinem Text jedenfalls aufgreifen und beleuchten müssen? Was hingegen könntest du weglassen und zumindest nur am Rande streifen?
- Wie kannst du dafür sorgen, dass dir einzelne Themenaspekte in ihrer Bearbeitung nicht „davongaloppieren“ und plötzlich viel mehr Raum in deiner Gesamtarbeit einnehmen als ursprünglich geplant war – während anderes zu weit in den Hintergrund rückt? Wie kannst du eine stimmige Gewichtung der einzelnen Inhalte in deiner Arbeit sicherstellen?
Die Arbeit an der Grobgliederung deines Textes hilft dir also, das „Große Ganze“, das du auf inhaltlicher Ebene aufgestellt hast, nun zum ersten Mal auch in eine logisch aufgebaute Textform herunterzubrechen und so nicht nur für dich selbst, sondern auch für deine künftigen LeserInnen die nötige Struktur in deine Aussagen und Gedanken zu bringen.
Von hier aus kannst du dann strukturiert und optimal vorbereitet in Ebene 3 eintauchen: das tatsächliche Ausgestalten und Schreiben deines Textes.
3. Textliche Erarbeitung: Das Verschriftlichen deiner Gedanken und Inhalte
Was dir das bisherige Vorgehen gebracht hat?
Anstatt einfach wahllos Textzitate aus der Lektüre und Gedankenimpulse zusammenzutragen, hast du nun erste „Textcontainer“ geschaffen, in die du sinnvoll hineinarbeiten kannst.
Damit kannst du sowohl dein Lesen als auch dein Schreiben fokussieren: nämlich indem du aufkommende Gedanken und Inhalte gleich an der richtigen Stelle platzieren und dort mit anderen Inhalten zu demselben Thema in Verbindung bringen kannst.
So arbeitest und schreibst du nie mehr einfach „ins Blaue“ hinein, sondern hast immer einen verlässlichen Überblick darüber,
- was du in einem bestimmten Textteil zeigen wolltest und welches Material (Literatur, Quellen, Daten,…) du dafür heranziehen musst,
- UND wie dieser betreffende Textteil mit dem Rest deiner Arbeit in logischer Verbindung steht und damit insgesamt einen unerlässlichen Baustein in der Storyline deiner Gesamtarbeit darstellen wird.
Wie das Strukturieren, Schreiben und Überarbeiten deiner einzelnen Dissertationskapitel von da aus effektiv gelingt, lernst du in meinem Onlinekurs „Forschung schreiben. Die Formel für klare und überzeugende Fachtexte“, der im Oktober 2024 wieder seine Türen öffnet. (Über meinen Newsletter erfährst du schon bald mehr zum Kurs, seinen Inhalten und der Anmeldung.)
Mit den hier skizzierten Schritten legst du aber jedenfalls schon einmal den essentiell wichtigen Grundstein, um deine Dissertation als Gesamttext richtig zu überblicken und in weiterer Folge auch zielgerichtet und mit System zu Papier bringen zu können!