3 kuriose Techniken für wissenschaftliche Textüberarbeitung, die du nutzen solltest
Einen wissenschaftlichen Text zu schreiben kann schon ganz schön herausfordernd sein. Und wie sieht es dann erst mit der Überarbeitung aus?
Wie schaffst du es, dass das Überarbeiten eines Kapitels oder Papers deiner Dissertation nicht zum monatelangen Kraftakt ausartet, sondern ein konstruktiver, effizienter und freudvoller Prozess bleibt?
Die meines Erachtens wichtigsten Grundlagen dazu bringe ich dir im Blogartikel Deine Dissertation überarbeiten: 1×1 des wissenschaftlichen Textstylings näher.
Aber als Schreibcoach habe ich natürlich auch noch einige Geheimtricks für die Textüberarbeitung auf Lager 😉
In diesem Artikel stelle ich dir deshalb meine drei kuriosesten Überarbeitungstechniken für wissenschaftliche Texte vor – Ausprobieren dringend empfohlen!
In diesem Artikel zeige ich dir:
- wie du beim Überarbeiten die nötige Distanz zu deinem eigenen Text herstellst,
- was dir die Perspektive deiner LeserInnen über deinen Text verrät,
- und wie Textüberarbeitung auch – oder sogar noch besser – abseits des Computers gelingen kann!
Also dann, lass uns doch gleich ohne Umschweife in die drei Techniken einsteigen, die ich dir in diesem Artikel näherbringen will:
Überarbeitungstechnik 1: Deinen Text vor der Überarbeitung optisch verfremden
Als ich als Programmplanerin in einem Wissenschaftsverlag gearbeitet habe, ist mir ein spannendes Phänomen immer und immer wieder untergekommen: AutorInnen schickten uns ihre redigierten Manuskripte zu, um sie ins geplante Buchlayout zu setzen.
Die sogenannten Druckfahnen bekamen die AutorInnen anschließend wieder vorgelegt, um zu kontrollieren, ob alles ihren Vorstellungen gerecht durchgeführt worden war.
Und regelmäßig kam es vor, dass AutorInnen dann anfingen, in diesen Druckfahnen nochmals großflächig Textpassagen zu überarbeiten und umzuschreiben.
Im Prozess der Buchherstellung war das ein Desaster und nicht nur einmal musste ich eine Krisensitzung einberufen, um in Absprache mit den AutorInnen und beauftragten BuchherstellerInnen hier eine akzeptable Lösung zu finden.
Diese Erfahrung hat mich aber eines gelehrt: wir lesen unsere eigenen Texte umso aufmerksamer, je fremder sie uns erscheinen.
Für die AutorInnen war ihr Text – als sie ihn erstmals im Schrift- und Erscheinungsbild des künftigen Buches zu sehen bekamen – völlig verfremdet. Nichts erinnerte hier mehr an das Worddokument, in das sie zuvor jahrelang geschaut hatten.
Und die daraus entstandene Distanz führte dazu, dass sie plötzlich Schwachstellen in ihrem Text wahrnahmen, die ihnen bisher nie aufgefallen waren.
Was kannst du nun daraus für die Überarbeitung deiner eigenen Texte mitnehmen?
Als Schreibcoach empfehle ich dir, wissenschaftliche Texte vor der Überarbeitung optisch möglichst stark zu verändern, damit sie dir selbst wieder fremd werden.
Du glaubst es vielleicht nicht, aber unser Hirn lässt sich tatsächlich so einfach täuschen 😉
Ein simpler Eingriff wie dieser führt deshalb dazu, dass du deinen Text nun beim Überarbeiten richtig liest, anstatt ihn nur oberflächlich zu überfliegen. Und das ist die Grundvoraussetzung für effektive Textüberarbeitung!
Wie du deinen Text optisch verfremden kannst?
- Der wahrscheinlich einfachste Eingriff ist, die Schrift deines Textes zu ändern. Du schreibst normalerweise in Times New Roman? Dann stell vor der Überarbeitung deinen Text auf Arial (oder – wenn du All-In gehen willst – besser gleich auf Comic Sans 😉 )
- Alternativ kannst du – sofern dein Text nicht zu viele Abbildungen, Tabellen oder Grafiken enthält – auch das Seitenbild verändern, etwa indem du die Seitenausrichtung von hoch auf quer umstellst oder die Seitenränder deines Textdokuments schmäler oder weiter stellst.
Du willst deinen ganz individuellen Schreibtyp als WissenschaftlerIn herausfinden und den Schreibprozess deiner Dissertation von nun an mit Leichtigkeit meistern?
Überarbeitungstechnik 2: Deinen Text zum Puzzlespiel machen
Eine der größten Herausforderungen beim Überarbeiten wissenschaftlicher Texte ist die zuweilen unüberschaubare Textmenge, die dafür gelesen, durchdacht und sinnvoll umgearbeitet werden muss.
Wenig überraschend bestand deshalb das Überarbeiten meiner eigenen Dissertation gefühlt tagelange daraus, nur durch mein Manuskript zu scrollen und eine bestimmte Textpassage zu suchen, von der ich mich zu erinnern glaubte, dass sie irgendwo hier in diesem Kapitel geschrieben stand…
Zielgerichtete und effiziente Textüberarbeitung sieht anders aus!
Vor allem für die Überarbeitung der Textstruktur – das heißt für das Feinschleifen des Aufbaus und roten Fadens eines Textes – empfehle ich deshalb heute, auch einmal bewusst vom Computer wegzugehen.
Am besten druckst du dir deinen Text (das Kapitel oder Paper, an dem du gerade arbeitest) dafür mit Zeilenabstand 1,5 oder besser noch 2 aus.
Anschließend schnappst du dir eine Schere und zerschneidest deinen Text in seine gedanklichen Sinneinheiten. Achte beim Lesen ganz bewusst darauf, wo du einen neuen Gedanken, einen neuen Inhalt, eine neue Argumentationslinie oder eine neue Überlegung zur Sprache bringst und trenne die entsprechenden Passagen mit der Schere voneinander.
Die so entstandenen Textschnipsel kannst du anschließend auf dich wirken lassen:
- Vielleicht hast du im Lauf deines Textes ein und denselben Gedanken mehrmals ausgeführt und könntest alle diese Passagen an einer Stelle zusammenziehen?
- Vielleicht hast du auf Seite 8 eine Überlegung eingeführt, die sich als passender Einstieg in den Text eignen würde?
- Vielleicht stellst du fest, dass sich ein stimmiger, roter Faden durch deinen Text nur spannen lässt, wenn du einen bestimmten Exkurs hier weglässt und stattdessen in ein anderes Kapitel oder Paper deiner Dissertation verschiebst?
Probiere anschließend einmal aus, wie sich der Text und seine Gesamtwirkung verändert, wenn du die Textausschnitte neu zusammenpuzzelst und so mit verschiedenen Aufbauvarianten spielst.
Hast du zuletzt den optimalen Aufbau für deinen Text gefunden, musst du nur mehr dein elektronisches Textdokument hernehmen und es entsprechend umarbeiten.
Komplexe Textstrukturierung, die ansonsten eine wochenlange Qual gewesen wäre, kann damit innerhalb von ein oder zwei Stunden erledigt sein – eine wirklich unschlagbare Technik!
Überarbeitungstechnik 3: Deinen Text laut vorlesen
Dass Sprechen und Schreiben kognitiv eng miteinander verknüpft sind, weiß die modernde Schreibdidaktik schon lange.
Und auch ich als Schreibcoach plädiere dafür, sich beim Schreiben (ja, auch von wissenschaftlichen Texten!) am Rhythmus und Fluss der gesprochenen Sprache zu orientieren (Warum das so wichtig ist, erkläre ich dir in meinem Blogbeitrag: Angst vor dem leeren Blatt? Wie du anfängst, deine Dissertation zu schreiben.)
Du kannst diese magische Verbindung von Sprechen und Schreiben aber auch beim Überarbeiten wissenschaftlicher Texte nutzen! Wie?
Indem du dir deinen eigenen Text laut vorliest!
Durch das aktive Vorlesen deines Textes trittst du in die Rolle eines/r LeserIn und gewinnst damit eine ganz neue Perspektive auf deinen Text.
Deinen Text laut vorzulesen ist nämlich ein untrüglicher Indikator für den Lesefluss deines Textes: wo DU beim Vorlesen über deinen eigenen Text stolperst, würden auch deine LeserInnen stolpern!
Vor allem, wenn es darum geht, überlange Sätze, holprige Grammatik, unschöne Wortwiederholungen oder ähnliches in deinem eigenen Text zu entlarven, ist Vorlesen deshalb die Go-to-Technik.
Wann immer du beim Vorlesen bemerkst, dass dein Lesefluss unterbrochen oder erschwert wird, mach dir eine schnelle Notiz dazu am Rand des Blattes. Diese Textpassagen solltest du noch einmal in Ruhe überprüfen und sie klarer, straffer oder leserInnenfreundlicher machen!
So, das waren sie: meine drei bewährtesten – wenn auch kuriosen – Tipps zur Überarbeitung von wissenschaftlichen Texten.
Sie alle begleiten mich bis heute in sämtlichen nur denkbaren Textprojekten.
Und ich bin überzeugt: auch die Überarbeitung DEINER Texte wird dadurch an Klarheit und Effizienz gewinnen – und wer weiß, vielleicht auch noch ein klein wenig an Spaß 🙂