Ein Dissertationsprojekt ist ein komplexes und umfangreiches Unterfangen, das in der Regel mehrere Jahre in Anspruch nimmt. Aber auch, wenn du dir die Dimension dieses Unterfangens realistisch bewusst gemacht hast, fragst du dich vielleicht irgendwann: sollte jetzt nicht langsam mal Schluss sein?!
Warum scheint der Abschluss deines Projekts von Tag zu Tag weiter in die Zukunft zu rücken, anstatt greifbarer zu werden?
Tatsächlich gibt es einige mögliche Erklärungen, warum deine Dissertation einfach nicht fertig zu werden scheint.
In diesem Artikel wollen wir gemeinsam die 3 typischsten Stolpersteinen entlarven, die eine Dissertation unnötig in die Länge ziehen können – und klären, wie DU sie gezielt aus dem Weg räumst!
In diesem Artikel zeige ich dir:
- wie eine klare Zielsetzung dir verhilft, sinnvolle Schritte für dein Projekt zu definieren,
- auf welchen Ebenen dir blockierender Perfektionismus in die Quere kommen kann,
- und wie die Aussicht auf die Zeit NACH der Promotion den Verlauf deines Projekts beeinflusst.
Als Schreibcoach für WissenschaftlerInnen sehe ich verschiedenste Gründe, aus denen Dissertationsprojekte scheinbar nicht und nicht zum Ende kommen wollen. Die drei häufigsten stelle ich dir hier vor – wer weiß, vielleicht steht einer davon ja auch dir im Weg?
1. Stolperstein: Fehlendes oder unklares Ziel für dein Projekt
Um ein Projekt strukturiert zu bearbeiten und irgendwann erfolgreich abzuschließen, braucht es vor allem eines: ein klares ZIEL, auf das du hinarbeitest. Einen Ankerpunkt in der Zukunft, an dem du festmachen wirst können, wann du alles erledigt hast, was hier zu erledigen war.
Wie sieht das denn in deinem Projekt aus?
Hast du ein solches klares Ziel vor Augen, an dem du dich in der Bearbeitung deines Projekts orientieren kannst?
Oder geht es dir wie vielen Promovierenden: mit jeder geschriebenen Textseite tun sich neue Themenaspekte und Überlegungen auf, die noch behandelt werden sollten. Anstatt dem anvisierten Gesamtumfang deiner Arbeit also heute eine Seite nähergekommen zu sein, hat sich der Gesamtumfang einfach um eine Seite verlängert – und du bist vom Abschluss wieder genau so weit entfernt wie gestern.
1 Schritt vor, 2 Schritte zurück – ein frustrierender Kreislauf.
Um diese weit verbreitete Frustration zu lösen, solltest du für dich selbst festlegen, wann bzw. wie in deinem Projekt Schluss sein soll. „Wann“ meint dabei also nicht einen Termin im Kalender, sondern vielmehr ein anvisiertes Ergebnis: woran lässt sich für dich erkennen, dass du alles geleistet hast, was hier zu leisten war und jetzt den Sack zumachen kannst?
Diese Definition wird dir helfen, in deinem weiteren Vorgehen zwischen „Must-Haves“ und „Nice-to-Haves“ zu unterscheiden.
Anstatt also immer neue und neue Aufgaben anzuhäufen, kannst du dich jetzt darauf konzentrieren, die für deine Arbeit unerlässlichen Schritte zu definieren.
Wie du das etwa erreichst?
- Indem du zuerst einmal jene Handvoll an Quellen analysierst, die inhaltlich den meisten Ertrag für deine Forschung verheißen – und dich erst weiteren Quellen widmest, wenn es danach noch zielführend erscheint.
- Indem du dein Datenmaterial einmal nur hinsichtlich der wichtigsten drei oder vier Kategorien analysierst – und erst danach eventuell weitere interessante Aspekte berücksichtigst.
- Indem du deine zentralen Textkapitel zu Papier bringst – und dich gegebenenfalls danach noch dem interessanten aber nur peripher relevanten Exkurs in Kapitel 4 widmest.
Wenn du ein Ziel für dein Projekt definiert hast, kannst du sinnvoll entscheiden, was dafür zu tun ist. Und vermeidest so, dein Projekt von Tag zu Tag planlos weiter in die Zukunft zu verschleppen.
Du verlierst dich gefühlt von Tag zu Tag mehr in deinem eigenen Dissertationsprojekt? Keine Panik!
Mit meinem bewährten 3-SCHRITTE-PLAN konzipierst du ein Forschungsvorhaben, das auf das Wesentliche fokussiert UND zielgerichtet umsetzbar ist!
2. Stolperstein: Blockierender Perfektionismus
Perfektionismus ist der Erzfeind eines jeden abgeschlossenen Projekts – und hat schon so manche Dissertation um Monate, wenn nicht Jahre in die Länge gezogen.
Und vielleicht kämpfst auch du immer wieder damit, gefühlt „unperfekte“ Textteile stehen zu lassen – denn es könnte doch sicher noch besser gehen?!
Ja klar, könnte es – da will ich dich nicht belügen. Jeder Tag, an dem du weiter an deinem Projekt arbeitest, wird eventuell noch irgendwo ein winziges Detail optimieren.
Perfektionismus steht damit immer in direkter Gegenüberstellung zu Pragmatismus.
Kurz gesagt also der Frage: machen weitere Eingriffe in deine Arbeit tatsächlich noch einen relevanten Unterschied? Ist weitere Arbeit an diesem Punkt noch wirklich zielführend? Oder wäre es aus pragmatischer Sicht sinnvoller, hier den Schlussstrich zu ziehen und deine Zeit und Energie anderswo zu investieren?
Diese Entscheidung zu treffen, ist nicht immer leicht, das weiß und verstehe ich!
Lass uns deshalb einmal ansehen, wo sich Perfektionismus in der Promotion üblicherweise zeigt – und wie du ihn vielleicht noch besser in den Griff bekommst.
Inhaltlicher Perfektionismus
Perfektionismus taucht zum einen häufig auf der inhaltlichen Ebene eines Projekts auf: du stellst den Anspruch, möglichst ALLES zu einem Thema herausgefunden, gelesen und berücksichtigt zu haben.
Schließlich willst du dir nicht unterstellen lassen, du hättest den elementaren Ansatz von Huber et al. (2020) oder die bahnbrechende Studie von Ying-Burk (2018) in deiner Forschung unberücksichtigt gelassen. (Oder noch schlimmer: … etwa gar nicht gekannt?!)
Die Folge von inhaltlichem Perfektionismus ist deshalb oft manisches Hamstern von Literatur und Studien zu einem Fachthema. Und da jedes Werk wiederum ein Literaturverzeichnis voller weiterer Titel eröffnet, wirst du davon immer weiter und weiter in die Untiefen des Forschungsfeldes getrieben.
Dieser hoffnungslosen Suche nach dem heiligen Gral irgendwann ein Ende zu setzen, kann herausfordernd sein. Aber vielleicht kann dich der folgende Denkanstoß dabei unterstützen:
Verdeutliche dir doch einmal die typische Erkenntniskurve, die du durchläufst, wenn du dich in einen (neuen) Themenbereich einarbeitest…
Anfangs wird fast jedes Werk, das du zum Thema liest, für dich neue und unbekannte Informationen bereithalten.
Aber dieser Erkenntnisgewinn nimmt mit der Zeit immer mehr ab. Je besser du bereits in das Thema eingearbeitet bist, desto öfter wirst du in der Literatur über Inhalte stoßen, die dir schon geläufig sind.
Und irgendwann beginnt die Kurve des Erkenntnisgewinns nahezu zu stagnieren.
Natürlich wirst du auch jetzt aus jedem neu gelesenen Werk noch irgendetwas mitnehmen. Aber dabei handelt es sich oft nur mehr um winzige Details.
Du kannst ab einem bestimmten Punkt also jedenfalls darauf vertrauen, dass du jetzt nicht mehr die Quintessenz eines Themas verpasst, nur weil du EIN Werk dazu nicht gelesen hast!
Ja, vielleicht hat 2017 jemand noch etwas Interessantes zu deinem Thema publiziert, das dir durchgerutscht ist, zB weil das Werk kaum im Fachdiskurs herangezogen und zitiert wird.
Vielleicht hat jemand etwas sehr Kluges auf Japanisch zu deinem Thema publiziert, aber du kannst kein Japanisch.
Vielleicht haut jemand DIE Veröffentlichung zu deinem Thema raus, aber blöderweise 3 Wochen, nachdem du deine Dissertation eingereicht hast.
Es wird immer Gründe geben, warum du nicht alles lesen und berücksichtigen konntest, was je in dieser Welt zu deinem Thema geschrieben wurde oder noch geschrieben wird.
Aber daran steht oder fällt nicht dein gesamtes Forschungsprojekt!
Den wesentlichen Kern eines Themas und des darum kreisenden Forschungsdiskurses hast du wahrscheinlich schon längst erfasst und kannst ihn adäquat in dein eigenes Projekt einfließen lassen.
Sprachlicher Perfektionismus
Blockierender Perfektionismus kommt nicht nur bei inhaltlichen Aspekten ins Spiel, sondern mindestens so oft im Zusammenhang mit sprachlichen Aspekten des eigenen Textes.
Viele Promovierende schreiben jeden Satz zehn Mal um und neu – um ihren Text nach außen gegen jegliche sprachlich-stilistische Kritik abzusichern.
Warum ich das weiß? Weil ich es nicht nur bei vielen meiner KundInnen sehe, sondern selbst jahrelang in diesem perfektionistischen Strudel gefangen war, der mich langsam aber sicher an den Rand der Verzweiflung getrieben hat.
Was dir in dieser Situation vielleicht hilft?
Dir zu verdeutlichen, dass niemand auf der Welt deinen Text mit solchen Argusaugen liest wie du selbst!
Überleg doch einmal: wann schlägst du in der Bibliothek eine Fachpublikation auf, um sie Satz für Satz zu prüfen und dich zu fragen, wie DU bestimmte Gedanken anders oder besser formuliert hättest?
Nie…?! Dachte ich mir 😉
Denn das machen deine LeserInnen auch nicht!
Die sind vor allem an den Inhalten interessiert, die du ihnen hier präsentierst und nehmen mit großer Wahrscheinlichkeit überhaupt nicht wahr, wo einmal eine andere Formulierung in deinem Text prägnanter oder sprachlich schöner gewesen wäre. Niemand hat die Zeit und die Muße, sich über jedes einzelne Wort, das du geschrieben hast, so ausführlich Gedanken zu machen, wie du es tust.
Und selbst wenn es so wäre – sprachlich-stilistische Geschmäcker sind völlig verschieden!
Verschiedene Menschen würden die gleiche Aussage auf verschiedenste Art und Weise formulieren und keine dieser Formulierungen muss per se besser oder schlechter als eine andere sein.
Kurz gesagt bedeutet das: du wirst es mit deinem Text ohnehin nie allen Recht machen können. Bevor du dich also durch die 17. ziellose Überarbeitungsschleife eines Textes drehst, frag dich einmal ganz ehrlich: ist dein Text in Wahrheit nicht längst gut genug?!
3. Stolperstein: Die Scheu vor dem „Danach“
Und so kommen wir auch schon zum dritten Stolperstein, der viele Dissertationsprojekte unnötig in die Länge zieht: die Scheu vor einem unklaren oder beunruhigenden „Danach“ – also davor, was am Ende der Promotion auf dich wartet.
Nicht erst einmal habe ich Dissertationsprojekte erlebt, die bereits seit Ewigkeiten scheinbar fix und fertig in der Schublade lagen – aber ihre AutorInnen sie einfach nicht zum Abschluss brachten.
Stattdessen arbeiteten sie immer weiter an bereits fertiggestellten Kapiteln, erhoben immer weitere Daten, analysierten immer neue Quellen zum Thema, lasen sich wieder in komplett neue Theorien oder Konzepte ein – nur um ihr Projekt erneut bis auf die Grundmauern zu schleifen und neu aufzuziehen.
Von außen betrachtet ein zermürbendes Trauerspiel.
Aber der Abschluss eines Projekts – vor allem eines so umfangreichen Projekts wie einer Dissertation – hält eben immer auch mentale Hürden bereit und triggert Ängste, die sonst im Alltag vielleicht kaum manifest werden.
Vielleicht steht dir nach dem Abschluss deiner Promotion eine noch unsichere berufliche oder private Zukunft bevor?
Vielleicht hast du dich mittlerweile so sehr mit der Rolle der/des Promovierenden identifiziert, dass es einen emotionalen Verlust bedeutet, diese Lebensphase irgendwann hinter dir zu lassen?
Vielleicht hast du auch einfach nur richtig Schiss vor der Disputation und möchtest diese lieber noch etwas länger aufschieben?
Es kann verschiedenste Gründe geben, wieso du den Abschluss deines Projekts bewusst oder unbewusst immer weiter verzögerst. Nur noch einen Monat länger hier in diesem wohlig-bekannten Nest bleiben – bevor du hinaus in den bedrohlichen Nebel treten musst…
Wenn dir diese Gefühle bekannt vorkommen, frag dich doch einmal, was der Gedanke an den Abschluss deines Projekts konkret in dir auslöst? Welche Sorgen, Zweifel oder Ängste lässt die Vorstellung an die Zeit nach der Promotion in dir hochsteigen?
Denn nur, wenn du dir diese Gefühle bewusst machst, lässt sich darauf auch bewusst reagieren und eine Lösung dafür finden, wie du bestimmte Angstfaktoren aus dem Weg räumen oder besser damit umgehen kannst!
Das waren sie: die drei häufigsten Hürden, die dazu führen, dass eine Dissertation einfach nicht fertig werden will. Achte doch einmal bewusst darauf, ob du die eine oder andere davon auch in DEINEM Projekt wahrnimmst – und lies hier noch einmal in Ruhe nach, wie du sie gezielt aus dem Weg räumst!
Denn dann steht auch deinem baldigen Abschluss sicher nichts mehr im Weg 🙂