Ein überzeugendes Exposé für die Dissertation schreiben. Teil 2: Der perfekte Aufbau eines Exposés
In Teil 1 dieses Beitrags habe ich dir gezeigt, welche Funktion ein Exposé WIRKLICH für deine Dissertation leistet (Spoiler: einfach nur dein Forschungsvorhaben darzustellen, ist es nicht!). Solltest du diesen Artikel also noch nicht gelesen haben, hol das am besten gleich noch nach.
In Teil 2 geht es nun darum, welcher Aufbau vor diesem Hintergrund ideal für dein Exposé ist und welche Abschnitte ein gutes Exposé für die Doktorarbeit jedenfalls enthalten sollte.
Einmal rasch zusammengefasst sind das die folgenden:
- Hinleitung zum Thema
- Zielsetzung und Fragestellung deiner Forschung
- Grundlegendes und Stand der Forschung
- Einblick in dein konkretes Forschungsvorhaben (Untersuchungsgegenstand, Methodik…)
- Ein „Goldstück“ für deine LeserInnen
- Zeitplan und grobes Inhaltsverzeichnis
- Literaturangaben in Auswahl
Der richtige Aufbau für das Exposé deiner Dissertation
Die Reihenfolge und auch die Gewichtung der einzelnen Abschnitte kann je nach Disziplin, Thema und Zielsetzung deines Exposés etwas variieren – du erfährst dazu gleich noch mehr. Aber sehen wir uns doch die einzelnen Abschnitte zuerst einmal im Detail an.
1. Hinleitung zum Thema
Ich sehe immer wieder Exposés, die mit „In der geplanten Forschungsarbeit…“ oder einer ähnlichen Formulierung beginnen. Und ganz ehrlich: als Textcoach stellt es mir die Nackenhaare auf, wenn ich das lese.
Als Leserin werde ich mit einem solchen Einstieg in den Text völlig überrumpelt.
Ohne irgendeine Hinleitung springt der Text mitten ins Thema hinein. Dabei weiß ich als Leserin hier bei diesen ersten Sätzen ja noch gar nicht, wo wir uns thematisch überhaupt befinden – um welches Themenfeld geht es überhaupt? Was ist daran wichtig und relevant? Und warum sollte MICH das alles interessieren?
Ich fühle mich in einem solchen Moment immer, als wäre ich bei einem Blind Date und mein Gegenüber würde noch vor der Begrüßung das Gespräch eröffnen mit „Also ich wünsche mir ja unbedingt mal drei Kinder – und du?!“
Woah – zu früh, zu schnell!
Wie es besser geht – jedenfalls beim Schreiben eines Exposés? (Ganz offen gestanden: bei Blind Dates solltest du eher nicht auf meinen Rat vertrauen 😉 )
Indem du deine LeserInnen am Beginn des Exposés einmal sorgsam zum Thema hinführst und ihnen einen ersten Vorgeschmack bietest, auf welche inhaltliche Reise du sie hier im weiteren Text mitnehmen wirst.
Klar, für DICH ist vieles zu deinem Forschungsvorhaben längst selbstverständlich. Du arbeitest schließlich seit Monaten an diesem Thema und weißt genau, was daran spannend und wertvoll ist.
Aber hier im Exposé geht es nicht um dich und deine Perspektive – sondern um deine LeserInnen. Und die haben bis auf den Titel deines Exposés in Wahrheit noch keine Ahnung, worum es hier auf den nächsten Seiten gehen wird.
Die ersten zwei bis drei Absätze deines Exposés sind also essentiell, um deine LeserInnen dort abzuholen, wo SIE gerade stehen und sie zum interessierten und wohlgestimmten Weiterlesen zu animieren.
Wie du das erreichst?
Indem du einen ganz simplen aber bewährten rhetorischen Bogen spannst:
1.) In welchem Forschungsfeld bewegen wir uns überhaupt?
Steige dazu am besten mit einer allgemein bekannten Information ein, die auch deinen LeserInnen geläufig ist oder die du ihnen innerhalb von maximal 2-3 Sätzen verständlich machen kannst. (Benenne z.B. eine Ausgangssituation, eine Herausforderung, Entwicklung oder Veränderung aus deinem Forschungsfeld, zu der es einen grundsätzlichen Konsens gibt. Beispiele könnten sein „Seit 1970 nimmt X stetig zu.“ / „Die politische Landschaft in Österreich ist heute so vielschichtig wie nie zuvor.“ / „Mit der Entdeckung von X rückte Y in den Fokus der Z-Forschung.“ / …)
2.) Was ist in diesem Feld noch nicht ausreichend erforscht? Wozu gibt es noch Lücken oder Ungereimtheiten? Was ist zu wenig beachtet worden? Was wird als vermeintlich gesichert dargestellt, aber sollte einmal genauerer Untersuchung unterzogen werden?
3.) Und erst jetzt sind wir bei „In der geplanten Forschungsarbeit…“ angelangt 😉 Jetzt ist es an der richtigen Zeit, dein Forschungsvorhaben als die ultimative Lösung dafür zu präsentieren und zu zeigen, inwiefern dieses Projekt genau die zuvor dargestellte Lücke erfolgreich schließen wird können.
Der hier dargestellte Bogen in der Hinleitung sollte maximal eine Seite deines Exposés einnehmen – vielleicht reicht auch eine dreiviertel Seite.
Am Ende dieses Abschnitts sollen deine LeserInnen jedenfalls so weit sein, dass sie grundsätzlich verstehen, in welchem Forschungsfeld deine Arbeit angesiedelt ist und welches wichtige Forschungsdesiderat sie dort schließen wird – die perfekte Ausgangssituation, um sie anschließend detaillierter in die Darstellung deines Forschungsvorhabens mitzunehmen!
Die beiden nun folgenden Abschnitte (Zielsetzung/Fragestellung und Grundlagen/Stand der Forschung können je nach Disziplin und Thema in unterschiedlicher Reihenfolge aufeinander folgen: entweder lieferst du gleich jetzt, im Anschluss an die Hinleitung zum Thema, eine ausführlichere Darstellung deiner Forschungsfragen und der Zielsetzung deiner Arbeit. Oder du lieferst zuerst eine Darstellung des wichtigsten Forschungsstands und leitest daraus deine konkrete Fragestellung und Zielsetzung ab. Probiere doch einfach mal aus, was sich für dich stimmiger anfühlt!
2. Zielsetzung und Fragestellung deiner Forschung
Hier gehst du nun ausführlicher darauf ein, welche inhaltlichen Ziele du mit deiner Arbeit verfolgst und inwiefern diese innerhalb deiner Disziplin wertvoll sind und einen relevanten Beitrag zum Fachdiskurs leisten.
Versuch dabei, nicht nur die zuvor verfasste Einleitung mit anderen Worten zu formulieren, sondern geh nun bewusst weiter in die Tiefe. Verorte dein Thema und seine Relevanz im Fachbereich, zeig, was du damit ultimativ bezweckst und stell dar, welche konkreten Fragen du im Rahmen deiner Forschung beantworten wirst – und warum das wichtig ist.
3. Grundlagen und Stand der Forschung
In diesem Abschnitt präsentierst du die wichtigste Forschung zu deinem Thema, damit darauf aufbauend noch klarer wird, inwiefern DEIN Forschungsvorhaben diesen Stand der Forschung erweitern und vertiefen wird. Was ist zum Thema bereits weitgehend bekannt? Was wurde bereits erforscht, worauf du dich in deiner Arbeit stützen wirst? Wozu gibt es unterschiedliche Ansichten – und welcher davon folgst du?
Achte hier darauf, dass „Grundlagen zum Thema“ und „Stand der Forschung“ Unterschiedliches bedeuten:
„Grundlagen“ sind z.B. Begriffsdefinitionen oder Erklärungen, wie etwas grundsätzlich funktioniert oder abläuft. Sie können nötig sein, um deine LeserInnen mit Informationen zu versorgen, die sie brauchen werden, um dein konkretes Forschungsvorhaben richtig verstehen zu können.
Der „Stand der Forschung“ bezieht sich dahingegen vielmehr auf die Ergebnisse von früheren Forschungsarbeiten, Studien, Publikationen und ähnlichem zum Thema.
Während du dich im Fall der Grundlagen also eher auf die „Sache an sich“ beziehst, nimmst du im Stand der Forschung die spezielle Forschungsentwicklung und (möglicherweise divergierende) Fachmeinungen zum Thema in den Blick. Damit verortest du dein Forschungsvorhaben innerhalb eines bestimmten Fachdiskurses und zeigst deinen LeserInnen: „Auf diese Vorarbeiten greife ich zurück. Diese Meinung(en) vertrete auch ich. Darauf baue ich mit meiner Forschung weiter auf.“
Mach dir also schon vor dem Schreiben dieses Abschnittes bewusst, wie du allgemein anerkannte Grundlagen präsentieren willst und wie du die komplexe Forschungslandschaft zu einem Fachbereich präsentieren willst. Je klarer du dir selbst über diese Unterscheidung bist, desto klarer kannst du sie nämlich auch für deine LeserInnen darstellen – und vermeidest Unklarheiten und Missverständnisse!
4. Einblick in dein konkretes Forschungsvorhaben (Untersuchungsgegenstand, Methodik…)
Jetzt endlich geht es um dein konkretes Projekt: in diesem Abschnitt stellst du nun dar, wie DU methodisch vorgehen wirst, um deine Forschungsfragen zu beantworten. Du zeigst hier also, auf welche Quellen, Daten oder einen anderen Untersuchungsgegenstand du dich in deiner Forschung stützen wirst und wie du konkret vorhast, in dessen Bearbeitung vorzugehen.
Quellenauswahl, Datenerhebung, Datenauswertung, Analyseverfahren und Methodik sind damit wichtige Stichworte für diesen Abschnitt – je nachdem wie DU konkret arbeitest (ob etwa empirisch oder analytisch, ob quantitativ oder qualitativ,…).
Nach dem Lesen dieses Abschnitts sollen deine LeserInnen einen fundierten Einblick darüber gewonnen haben, worauf es in deiner Arbeit ganz praktisch ankommen wird. Sie sollen verstanden haben, dass du in deinem Projekt wissenschaftlich sauber vorgehst, dass du weißt, was du hier tust und dass dein Unterfangen in Bezug auf Zeit und Ressourcen realistisch durchführbar ist.
5. Das „Goldstück“ für deine LeserInnen
Dieser kurze Exkurs (den du direkt im Abschnitt zu deinem Forschungsvorhaben verpacken kannst) ist extrem wertvoll für ein erfolgreiches Exposé – und wird dennoch fast immer vernachlässigt.
Du erinnerst dich: dein Exposé dient dazu, dein Projekt überzeugend zu verkaufen und andere dazu zu motivieren, es zu unterstützen (sei es in Form der Annahme des Projekts an einer Universität oder Doctoral School, sei es in Form von finanzieller Unterstützung oder der Zusage zur Betreuung).
Dafür willst du schon jetzt deinen LeserInnen ein wenig den Mund wässrig machen, was durch deine Forschung möglich sein kann. Du willst ihnen also schon im Exposé ein kleines Blitzlicht davon präsentieren, welche spannenden Ergebnisse in deinem Projekt warten.
Wie du ein solches „Goldstück“ ausfindig machst? Das ist ganz einfach!
Mit großer Wahrscheinlichkeit konntest du doch im Lauf der bisherigen Arbeit an deinem Thema schon
- irgendeine frappante Auffälligkeit entdecken
- einen interessanten Zusammenhang herstellen
- eine Diskrepanz bemerken, der niemand zuvor große Bedeutung beigemessen hat, die aber sehr wichtig zu sein scheint
- eine neue Interpretation zu einem Detail des Themas erarbeiten
- …
Genau so ein kleines Beispiel willst du jetzt exemplarisch herausgreifen und deinen LeserInnen präsentieren.
Einleiten kannst du dieses Beispiel mit Worten wie „Bereits die ersten Untersuchungen von X haben gezeigt/ergeben, dass…“, „Im Zuge einer ersten Sichtung von X konnte bereits festgestellt werden…“, „Dass die geplante Untersuchung aufschlussreiche Ergebnisse erwarten lässt, zeigt bereits das Beispiel von…“
Du musst hier übrigens nicht seitenlang ins Detail gehen. Deine LeserInnen sollen nur einmal direkt an deinem Forschungsgegenstand ERLEBEN, dass die Fragen, die du aufwirfst, tatsächlich gewinnbringend zu verfolgen sein werden.
Dass es sich lohnt, dass du hier noch weitere Forschungen unternimmst.
Indem du ihnen ein erstes vielversprechendes Beispiel aus deinen Untersuchungen präsentierst, vermittelst du deinen LeserInnen: „Da, wo das herkommt, gibt es noch mehr!“ und die Wahrscheinlichkeit steigt deutlich, dass du für dein Projekt die erhoffte Zusage oder Annahme erhältst!
6. Zeitplan und grobes Inhaltsverzeichnis
Die meisten Exposés verlangen zum Abschluss einen zumindest groben Zeitplan. (Warum ich dem Erstellen von Zeitplänen an einem so frühen Punkt in einem Dissertationsprojekt eher skeptisch gegenüberstehe, erfährst du ausführlicher hier.)
Für das Exposé ist es jedenfalls meist ausreichend grob zu skizzieren, bis wann du aus heutiger Sicht wichtige Meilensteine deines Projekts (z.B. Datenerhebung, Erste Textfassung, Abgabe o.ä.) absolviert haben willst.
Zuletzt ist mitunter noch ein grobes Inhaltsverzeichnis im Exposé erwartet. Auch hier – wie beim Zeitplan würde ich dir empfehlen, einmal den aktuellen Status Quo zu skizzieren, aber dich darauf nicht „festgenagelt“ zu fühlen.
Keine Sorge: niemand wird dich in drei, vier oder fünf Jahren danach fragen, warum du deine ursprünglich geplante Kapitelstruktur doch noch einmal verändert oder erweitert hast – und falls doch, gibt es ja sicher gute Gründe, die du dafür vorbringen kannst 😉
7. Literaturangaben in Auswahl
Ein gutes Exposé schließt zuletzt mit einer Auswahl an relevanten Titeln, auf die du dich in deiner Forschung stützen wirst. Das muss natürlich nicht die gesamte Literatur zum Thema sein und auch nicht die gesamte Literatur, die du bis zu diesem Zeitpunkt gesichtet oder gelesen hast.
Wähl hier einfach etwa 20 Titel aus, die deinen LeserInnen noch einen besseren Einblick geben, mit welchen AutorInnen, Fachmeinungen, Schulen, Theorien oder Konzepten du dich bereits auseinandergesetzt hast und wo du DEIN Projekt anzudocken gedenkst.
Dein Exposé fertigstellen
Es ist geschafft – das Grundgerüst deines Exposés steht! Du hast hier erfolgreich alle Inhalte verpackt, die deine LeserInnen brauchen werden, um dein Forschungsvorhaben zu verstehen und eine umsichtige Entscheidung darüber zu treffen.
Indem du deine LeserInnen richtig abgeholt und durch den Text geleitet hast, hast du es ihnen ermöglicht, dir und deinen Ausführungen wirklich bestmöglich zu folgen – und ihrer positiven Entscheidung steht hoffentlich nichts mehr im Weg 🙂
Ich wünsche dir viel Erfolg auf diesem Weg!
Du brauchst noch etwas praktische Unterstützung beim Erstellen deines Exposés? Oder hast schon ein erstes Exposé verfasst, das du gerne mit professioneller Unterstützung feinschleifen willst, bevor du es in die Welt schickst?
Dann melde dich gerne bei mir zu einem kostenlosen Strategiegespräch und wir sehen, ob ich dich hier noch irgendwie unterstützen kann!